Interview mit INFRAS-Bereichsleiter Markus Maibach zum Verkehr der Zukunft in der Schweiz – und wo er Bund und Forschung künftig besonders gefordert sieht.
Im Auftrag der Schweizerischen Vereinigung der Verkehrsingenieure und Verkehrsexperten (SVI) und des Bundesamts für Strassen (ASTRA) hat INFRAS das mehrjährige Forschungspaket «Verkehr der Zukunft 2060» geleitet. Im Interview erklärt INFRAS-Bereichsleiter Markus Maibach, wo er den Bund und die Forschung künftig besonders gefordert sieht.
Markus, das Forschungspaket «Verkehr der Zukunft» hat sich mit der Mobilität im Jahr 2060 auseinandergesetzt. Fahren wir denn 2060 noch mit der Bahn zum Shoppen nach Genf oder mit dem Auto zum Wandern in die Berge?
Maibach: Die Fortbewegungsmittel bleiben in ihrer Grundlogik weiterhin bestehen. Auch im Jahr 2060 wird es noch immer Strassen und Schienen geben. Aber: Vieles wird automatisiert ablaufen. Künftig können wir beim Autofahren den Sitz drehen. Und Virtual Reality wird ordentlich Schub bekommen – vor allem im Businessbereich.
In den vergangenen 40 Jahren hat es nur wenig echte Revolutionen in der Mobilität gegeben? Was erwartest du für die Zeit bis 2060?
Maibach: Abgesehen von spezifischen Ausnahmen hat es in den vergangenen Jahrzehnten zwar keine fundamentalen Neuerungen gegeben, das Mobilitätsbedürfnis ist aber regelrecht explodiert. Um die Verkehrsnachfrage zu meistern, mussten wir die Strassen- und Schieneninfrastruktur stark ausbauen und das Fahrzeugaufkommen massiv steigern. Jetzt erleben wir mit der Automatisierung und Digitalisierung zwei Entwicklungen mit riesigem Disruptionspotenzial. Wie wir dieses Disruptionspotenzial in der Schweiz nutzen, hängt wesentlich vom Regulativ ab.
Was heisst das konkret für den Bund?
Maibach: Mobilität entwickelt sich global. Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien machen nicht an der Grenze Halt. Wie sich der Verkehr der Zukunft in der Schweiz entwickelt, hängt entscheidend davon ab, welche Infrastrukturregelungen und -technologien der Bund zulässt. Klar ist: Es braucht Mut. Das Forschungspaket «Verkehr der Zukunft» versucht, eine konkrete Zukunftsagenda für das Regulativ aufzeigen.
Wirkt die Corona-Krise als Katalysator?
Maibach: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass kollektive Transportmittel weiter an Bedeutung gewinnen werden. Die Corona-Pandemie hat aber verdeutlicht, wie verwundbar diese Mobilitätsform ist. Umgekehrt sind die enormen Potenziale von virtuellen Meetings sichtbar geworden. Die Frage ist, wie sich Corona kurz- und langfristig auf die Mobilität auswirkt. Das hat auch Implikationen auf die Szenarienlogik in der Mobilitätsforschung.
Wo siehst du die Mobilitätsforschung besonders gefordert?
Maibach: Zusammenhänge zu anderen Themenbereichen müssen stärker aufgezeigt werden. ÖV und Privatverkehr verschwimmen zunehmend. Die Elektromobilität zeigt wie unter einem Brennglas: Die Zeiten des sektoriellen Denkens sind vorbei. Die Mobilitätsforschung muss diese Trends deutlich machen, sie muss businessorientierter werden.
Weitere Informationen
INFRAS hatte im Rahmen des Forschungspakets «Verkehr der Zukunft» zwei Funktionen: Sowohl die Leitung des Teilprojekts «Auswirkungen des Klimawandels auf die Verkehrsnachfrage» als auch die Leitung des Forschungspakets. Die Resultate im Überblick:
- Synthesebericht zum Forschungspaket (INFRAS)
- Schlussbericht «Auswirkungen des Klimawandels auf die Verkehrsnachfrage in der Schweiz» (INFRAS)
- Übersicht aller Teilprojekte und Berichte im Forschungspaket «Verkehr der Zukunft» (externer Link Mobility Platform)